Dienstag, 18. Juli 2017

Uruguayan Parrillada completa




Wer dieses Jahr noch kein Fleisch gegessen hat und nicht zu den Vegetariern zählt, für den dürfte ein zu Hause an einem Wochenende durchgeführtes Festmahl in Form einer Uruguayan Parrillada completa ein wenig Ausgleich dazu darstellen (Parilla ist der Grillrost). Dieses „vollständige Barbecue“ beginnt damit, dass nicht etwa ein Gas- oder Holzkohlegrill angezündet wird, sondern man mach zuerst einmal aus aromatischen und auch harzigen Hölzern ein Feuer an seiner Grillstelle. Optimal ist wer über Obstbaumholz wie Zwetschge oder Kirsche und auch ein paar dünne Scheite Kienholz verfügt. Wobei manche Kirschbaumsorten auch bereits harzhaltiger sind und ebenso ein Kiefernwurzelstock, der nach der Fällung noch für einige Zeit in der Erde belassen wurde (es sammelt sich dann weiter Kiefernharz im Stumpf an), perfekt dafür geeignet sind.

Wenn das Feuer herunter gebrannt ist und die verbrannten Äste und Stämme eine grau-weiße Ascheschicht aufweisen, kann mit dem eigentlichen Grillen begonnen werden. Vorher aber noch eine Reserve an Glut in eine ungenutzte Ecke für später schieben.  Ein großer Grillrost wird entweder am Anfang im 35° Winkel über die offene Feuerstelle gestellt oder der Rost wird etwas höher über den Grill eingeschoben. Das Grillgut wird traditionell direkt auf den Teller des Gastes mit einem Espeto serviert.

Die Reihenfolge des Servierens beginnt mit Würsten, gefolgt von Innereien und dann von Fleisch zusammen mit Gemüse. Der Asadero/Grillmeister ist also bei der Vielzahl der Möglichkeiten gefordert.

Hauptsächlich wird in Uruguay und auch in Norden Argentiniens, Boliviens und Peru Rindfleisch serviert, im Süden Argentiniens also in Patagonien und auch in Teilen Chiles wird dann Lamm und Schaf bevorzugt. So ist der Rindfleischverbrauch Uruguays viermal so hoch wie der von Schweinefleisch und dreimal so viel wie der von Huhn und Geflügel.

Die Nachfolgende Aufzählung stellt zum einen nur eine Auswahl der bekanntesten Stücke bei Parrillada dar und zum anderen ist sie nur als Vorschlagsliste zu verstehen, da es sonst Mengen ergibt die von einer Person ohne gesundheitliche Bedenken nicht auf einmal zu verzehren sind.




Unten stehend findet sich noch eine Bemerkung zur Weiderindhaltung in Südamerika, mit der freundlichen Bitte um Beachtung.





Uruguayan Parrillada completa
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Wurst:



Chorizos Extra Cativelli
Schweinswürste

Morcilla

Eine weiche Blutwurst oder wie ein weicher Rotgelegter, der süß oder salzig ausfallen kann und mit Nüssen, Orangenschale und Oliven vermischt werden kann.



Innereien:


Choto uruguayo


Chinchulines
Dünne Streifen vom Lammbauchfett und Lamm-Dickdarm von 20 bis 25 cm Länge die mit dem Dünndarm (Chinchulin) ebenfalls vom Lamm fixiert/umwickelt und an den Enden gebunden werden. Wichtig ist, keinen Darm vom Rinde oder Schwein dafür zu verwenden. Ähnlich dem griechischem Kokoretsi, türkischem Kokoreç oder Sardischem Cordula (hier allerdings vom Zicklein).






Mondongo



Kutteln aus dem Labmagen dem „vierten Magen“ (nicht jedoch aus dem Pansen-, Blätter- oder Netzmagen)  vom Kalb oder Schaf, von Talg und Fett befreit und über mehrere Stunden mit Limetten gewässert. In dünne Streifen scheiden, sie rollen sich dann wie Schnecken zusammen. Man kann auch lange Streifen schneiden und diese zu Zöpfen zusammenflechten. Indirekt oder mit Abstand direkt für maximal 30 bis 45 Minuten grillen, sie sollten höchstens hellbraun werden, so bleiben sie außen knusprig und innen zart. Zu lange auf dem Grill werden sie gummiartig zäh. Zwischendurch mit Salz bestreuen und mit Zitronensaft einpinseln. Mit einer Zitronen-Blattpetersiliensauce servieren. Erinnert in der Textur und im Geschmack an das florentinische Lampredotto.



Fleisch:


Neben dem üblichen Rindfleisch kann auch Schweinefleisch, Lamm. Hähnchen oder Kaninchen gebraten werden. Als erstes Rindfleisch empfiehlt sich:

Asado de Tira
Querrippe oder Shortribs, das Stück unterhalb der Hochrippe, mit oder ohne Knochen. Im Ganzen als dünne Streifen mit der Rippe, die quer geschnitten werden. Wenn der Knochen nicht ausgelöst wurde, wie Schälrippchen vom Schwein servieren. Ausgelöst nennt man das Stück dann auch Leiterstück vom Rind. Die fleischigsten Stücke liegen an der 4. bis zur 8. Rippe.

Bife/ Pulpón de vacío (Vacio de ternera bei Kalbfleisch)
Das Flanksteak oder Bavette, also aus der Dünnung der Rinds, dem unteren Rippenbereich. bei uns zwischenzeitlich auch bekannt, es wird nur kurz aber sehr heiß geröstet, so dass es außen knusprig und innen zart und saftig ist.

Picanha
Das Schwanzstück, der Hüftdeckel vom Rind, ähnlich unserem Tafelspitz vom Kalb. Ier kennen wir es hauptsächlich in der gekochten Version. Wird es wie hier geröstet, ist es jedoch besonders wichtig, dass unbedingt der Fettdeckel/-schicht auf der eine Fleischseite verbleibt, da es sonst zu trocken wird. Gegrillt wird das Fleisch dann zuerst mit der fettreichen Seite nach unten für 25 Minuten. Es hat sich dann ziemlich rund geformt und wird nochmals auf der anderen Seite indirekt geröstet. Man kann es auch in breite Streifen schneiden und quer mit der Fettseite nach außen (wie eine Wurstschnecke) auf einen Espeto spießen. Die Brasilianer wenden es am Ende noch in einer Mischung aus geröstetem Maniokmehl und Fett/Butter, so dass es außen sehr knusprig wird.  

Es gibt auch noch ein Picanha aus der Rinderkeule/-hüfte (Nachteil, dass ein Begriff mehrere Fleischstücke betreffen kann), ebenfalls mit leichtem Fettdeckel. Wer das Stück im ganzen rösten möchte, schneidet wie bei der Kalbsbrust eine Tasche in das Fleisch und füllt diese mit einer Mischung aus feingehackten Knoblauchzehen, gekochtem Schinken, Zwiebeln, einer rohen Kartoffel, einer Tomate, Blattpetersilie, Oregano, Senf, Olivenöl sowie Chiliflakes, Meersalz und schwarzem Pfeffer. Näht die offene Seite zu und röstet es ebenfalls zuerst auf der Fettseite. Darauf achten, dass das Küchengarn nicht verbrennt.

Carne de Entraña fina
Der Zwerchfellmuskel in Österreich Kronfleisch oder Saumfleisch bzw. Skirt Steak des Rind, zählt bei uns zu den Innereien. Ein festes, grobfasriges und aromatisches Fleisch, da der Zwerchfellmuskel stark beansprucht wird. Nur sehr kurz und heiß rösten und mit Chimichurri servieren. Beim Bestellen den Fleischer bitten, das Fett am Muskel zu lassen, ergibt beim Grillen einen schönen knusprigen Zusatz.

Lomo de cuadril
Der kleinere der beiden Muskeln der Rinderhüfte ohne Fettdeckel, auch als Rinderhüftfilet bezeichnet. Also ohne Mittelsehne wie bei der ganzen Steakhüfte. Schmeckt am besten wenn es rare zubereitet wird.

Ojo de Bife
Entrecôte oder Rib-Eye, Zuschnitt wie bei uns, aus dem Rücken des Rindes geschnitten mit dem typischen Fettauge. Ergibt ein aromatisches und saftiges Steak.




Schweinefleisch:

Pechito
Entspricht unseren Spareribs.

Carne Lechón
Teile vom Spanferkel.





Gemüse:

Beliebt zur Parrillada sind geröstete und kandierte Süßkartoffel, Ofenkartoffeln (eigentlich ein portugiesisches Gericht) und Gemüsepaprika. Es ist natürlich schwierig bei dieser Menge und vor allem Auswahl für Fleischfans auch das Gemüse an den Mann zu bekommen, deshalb nur geringe Mengen einplanen.


Papa al plomo/Ofenkartoffel
Kartoffel mit Schale in Form von einer Ofenkartoffel in Folie auf dem Grill oder kurz in der Glut gebacken. Die Kartoffel kann mit Butter, Salbeibutter, Speck mit Cheddarkäse oder nur mit Blauschimmelkäse in Folie gebacken werden.

Man kann die Kartoffel (mehlig kochende Sorte) erst für ca. 30 Minuten nur in Folie garen, dann die Folie vorsichtig öffnen, die Kartoffel halbieren und mit einer Gabel das innere Fruchtfleisch auflockern ohne die Haut zu zerstören und dann noch mit eine Mischung aus kleingeschnittenem rohem oder gekochten Schinken, Paprikapulver,  geriebenen Käse, Schnittlauch und saurer Sahne in die Mitte geben und wieder mit Folie verschlossen nochmals für 5 Minuten backen.

Alternativ die Kartoffel quer in viele schmale Scheiben anschneiden, ohne dass sie unten durchgeschnitten ist, also die Kartoffel unten weiter zusammengehalten wird und mit etwas Butter oder Olivenöl beträufeln und noch etwas grobes Meersalz darüber streuen und ebenfalls in Aluminium-Folie eingewickelt in der Glut oder auf dem Rost für ca. 30 Minuten garen.






Anhang

Eine traurige Entwicklung

Was sich für Argentinien langsam zu einem Problem für die Weideviehhaltung entwickelt hat, ist der um ein vielfaches gestiegene Anbau von Soja. Der Sojaanbau findet hauptsächlich im Norden Argentiniens statt und so wird auch die früher als Weideland genutzte Pampa immer mehr in Felder für den Sojaanbau umgewandelt. Schädlingsbekämpfungsmittelrückstände die zwingend beim Anbau von Gen-Soja sind, geben dem Boden und Trinkwasser dann noch den Rest in Form von Verlust an Biodiversität. Es ist also ebenso fraglich ob ehemals für den Sojaanabau genutzte Flächen, die nun ausgelaugt sind, wieder für die Weideviehwirtschaft genutzt werden können. Den argentinischen Rindern geht also die Fläche zum Grasen aus, mit der Folge, dass immer mehr Fleisch aus Argentinien aus Feedlots nach US-Amerikanischen Muster kommt, also Rinder die die Pampa nie zu Gesicht bekommen werden. In Feedlots werden die bereits gemästeten Kälber auf Schlachtgewicht gebracht, das kann mit dem richtigen Futter in fünf Monaten Turbomast passiert sein, in der Pampa hätte ein vergleichbares Rind ungefähr drei Jahre benötigt. So waren in den 1990er Jahren die Weiderinder noch durchschnittlich fünf Jahre in der Pampa vor der Schlachtung unterwegs. Die mangelnde Bewegung und die schnelle Gewichtszunahme machen sich natürlich auch besonders in der Fleischqualität und als deutlicher Geschmacksverlust bemerkbar. Da diese Haltung aber nicht auf dem Etikett vermerkt sein muss, ist eine optische Unterscheidung schwierig. Eine feine Marmorierung sprich für Weidevieh, ist aber natürlich im Markt, wenn nur Mastviehfleisch angeboten wird, nicht vergleichbar. Ist noch ein Stück Fett oder Talk, vor allem an großen Stücken, vorhanden kann man davon ausgehen, dass das Fleisch aus der Weideviehhaltung kommt wenn es nicht ganz schneeweiß ist, also leicht in gelbliche geht, richtige Lagerung natürlich voraus gesetzt. Mastviehfleisch besitzt in der Regel ganz weißes Fett. Man kann davon ausgehen, dass zumindest wenn auch eine Endmast von drei Monaten in Feedlots mit eingeschlossen wird, fast 90 Prozent des Argentinischen Fleisches inzwischen aus solchen Aufzuchtarten stammt. Solange also mit Sojabohnen auf gleicher Fläche mehr verdient werden kann als mit Rindfleisch, sieht es für die Gaucho-Idylle am Lagerfeuer in der offenen Pampa und dahinter grasende Angus- oder Herefordrinder schlecht aus.   

Ein gutes Steak muss also heute nicht mehr zwangsläufig von einem argentinischen Rind stammen, eine Alternative bietet Uruguay. Die Grassteppe der Pampa erstreckt sich über die Grenzen Argentiniens hinaus auch nach Osten Richtung Uruguay aus. Die Rindfleischproduzenten achten dort ebenso auf Hygiene- und Arbeitsstandards aber eben auch gleichfalls auf freie Weidefläche, Auslauf, unbelastete Futtergräser sowie den Verzicht auf die Auffütterung von Kraftfutter und dem Ausschluss von Hormonen als Masthilfe. Ebenso wie in Argentinien werden in Uruguay hauptsächlich Angus- und Hereford-Rinder sowie deren Kreuzungen gezüchtet.



Die Brasilianer züchten dagegen hautsächlich das Hausrind Nelori aus der Zebu Rasse. Der Name stammt von der Stadt Nellore an der Südostküste Indiens. Die dort indigene weiße Rinderrasse Ongole sind die Großeltern der Brasilianischen Nelori-Rinder. Vorteile der Rasse sind gute Tropenverträglichkeit, Parasiten- und Krankheitsresitenz wie gegen Maul- und Klauenseuche sowie Rinderwahnsinn/Mad Cow Disease und ihr schnelles natürliches Wachstum. Von ihnen stammt auch das texanische Santa Gertrudis Rind ab, dass heute in Australien Karriere macht, das Chinesische Gelbvieh oder Philippinenrind. Geschmack und Qualität des Nelori-Rind ist ebenfalls sehr gut, doch kommt es nicht ganz an die Angus- und Hereford-Rinder heran, da es magerer ist und nicht über eine so feine Marmorierung verfügt.

Der so genannte Sojagürtel reicht zwar nicht nur von Nordargentinien über Paraguay in das östlich Tiefland Boliviens, auch weite Teile von Südbrasilien und ebenso Uruguay sind davon betroffen. Argentinische Firmen sind bereits dabei, in Uruguay mit dem Sojaanbau aktiv zu werden und so konnte sich die Sojaproduktion auch für das kleine Uruguay zum Exportschlager entwickeln (über 90% Export). Im Vergleich beträgt der Sojaanbau in Süddeutschland 2015 ca. 12.000 Hektar, in Uruguay bereits in 2009 ca. 450.000 Hektar, besonders das Campos-Grasland im Bereich des Río Uruguay ist betroffen  und Uruguay hat damit bereits Bolivien in der anbaumenge überholt. Auch der Anbau von GV-freien Soja würde für Rindfleischliebhaber keine Trendumkehr bedeuten, nur der Gesundheit der Menschen und den Böden wäre etwas mehr geholfen als bei GV-Soja Anbau. Abkommen der BRD und/oder EU im Bereich „Absichtserklärungen und Abkommen in den Bereichen Bioökonomie“ mit der Absicht in Südamerika mehr „Biomasse“ zu erzeugen sind nicht gerade Hilfreich. Genießen wir die verbleibende Zeit des wohl als Luxusgut zu bezeichnenden freilaufenden Weidlandrinds in Südamerika, solange wir noch können.