Donnerstag, 9. August 2018

Spaghetti alle vongole veraci in bianco



Bestellt man sich das Pastagericht Spaghetti alle vongole ist es in den meisten Restaurants üblich, alle Arten von Venusmuscheln als Vongole zu bezeichnen. In Italien allerdings bedeutet der Handelsname Vongola verace, (etwa die wahre bzw. die beste Venusmuschel), das es sich um die Kreuzmuster-Teppichmuschel handelt, auch um sie von den anderen vongole zu unterscheiden. Oft werden einem sogar, wenn die Muscheln ohne Schale serviert werden, auch Herzmuscheln (ital. capa tonda) zusammen mit den Spaghetti als „vongole“ vorgesetzt.

Die im venezianischen Dialekt Bibarasse (Venus Gallina) genannten Lupini (Getupften- oder Kreuzmuster-Teppichmuscheln) gehören zu der Familie der Venusmuscheln und sind eine Unterart (Tapes). Bis in die fünfziger Jahre des letzten Jahrhunderts galt die Bibarasse als Nahrung der Armen, weil sie mit bloßen Händen von Jedermann aus dem Schlick geholt werden konnten. Heute kann man sagen, dass fast alle im Handel erhältlichen Venusmuscheln aus der Lagune südlich von Venedig oder dem Po-Delta stammen. Zu den besten Venusmuscheln gehört die europäische Sorte der Getupften- bzw. Kreuzmuster Teppichmuschel (Ruditapes decussatus) auch Arselle oder Veraci genannt, vor allem hinter der Insel Pellestrina in der Lagune von Venedig. Die Meeresverschmutzung Anfang der 80er Jahre des letzten Jahrhunderts führe dort fast zum vollständigen Zusammenbruch ihrer Bestände in der Lagune. Sie sind schwach längs gerippt und deutlich quer gestreift, ihre Farbe in der Regel braungelb. Je nach Nahrungsangebot, Teppichmuscheln ernähren sich von organischen Substanzen und Plankton, die sie durch zwei Saugrohre die Siphone aus dem Meerwasser filtern, erreichen die Teppichmuscheln nach zwei bis drei Jahren eine Größe von 40 mm. Die Veraci kommen lose oder in Netz und besondere Qualität auch einmal im Holzkörbchen und enthalten oft noch sehr viel Sand. Um diesen zu entfernen die Muscheln zu entsanden, bedient man sich eines Tricks und täuscht die Muscheln noch einmal, bevor sie im Topf landen. Dazu muss ich vorher ein wenig ausholen:

Der mittlere Salzgehalt (Salinität) von Meerwasser beträgt 3,47 Prozent Salz je Liter Meerwasser, das entspricht ungefähr 3 Esslöffel Meersalz oder 33,3 g je Liter. Innerhalb der Weltmeere schwankt jedoch der Salzgehalt des Wassers, nur im Südatlantik und -pazifik entspricht der Salzgehalt dem Durchschnittswert. Entsprechend ist der Salzgehalt des Meerwassers in Mündungsbereich eines Flusses oder in einer Lagune geringer als der Salzgehalt von Meerwasser auf offener See. Das Mittelmeer ist wegen seines geringen Wasseraustauschs mit anderen Ozeanen mit 3,74 Prozent relativ salzig. Die Salinität des Brackwassers in der Lagune von Venedig schwank dagegen zwischen 0,5 und 3,3 Prozent; Lido Ø 3,24; Chioggia Ø 3,44; Südliche Lagune Ø 3,34. Brackwasser ist eine Mischung aus süßem Flusswasser und salzigem Meerwasser. Die an solch einem Ort lebenden Organismen müssen besonders anpassungsfähig sein, um bei diesen extremen Bedingungen überleben zu können. Durch den Gezeitenwechsel verändert sich der Salzgehalt des Wassers ständig, mit steigender Flut wird jeweils das Süßwasser der zuführenden Flüsse mit dem einströmenden Meerwasser vermischt.

Zum Anmischen von künstlichem Meerwasser am besten co2 versetztes Wasser oder sprudeliges Mineralwasser benutzen und nach der Zugabe des Salzes und ab dem Zeitpunkt an dem sich dieses vollständig aufgelöst hat, noch etwa 15 Minuten warten. Dann erst die Muscheln zum Entsanden in die Schüssel hinein geben. Nach etwa 90 Minuten das Wasser mit dem Sand entfernen und den Vorgang wiederholen bis sich kein Sand mehr am Boden der Schüssel absetzt.

Die im venezianischen Dialekt Caparossolant genannten Muschelmänner aus Chioggia, sorgen für eine gewisse Missstimmung zwischen Chioggia und Venedig. Um 1983 wurde von Züchtern aus Chioggia zusammen mit den Italienischen Behörden die als Japanische Teppichmuschel bzw. Manila Teppichmuschel (Ruditapes philippinarum) bezeichnete Art, die nunmehr als das „dunkle Gold der Lagune“ bezeichnet wird, angesiedelt. Sie gilt als invasive Spezies, die einheimische Venusmuschel Arten verdrängt. Sie gedeiht besonders in den von Industrieabwässern erwärmten Gewässern um Chioggia. Die Farbe der Muschel variiert von grauweiß über gelb bis gelblichen braun, die Schale des Tiers zeigte markante schwarze und weiße gescheckte Muster. Die Japanische Teppichmuschel erreicht nach zwei Jahren eine Größe von 60 mm und wiegt etwa 12 Gramm. Das weißgelbe Fleisch schmeckt nussig, erdig. Bei Sushi-Köchen beliebt, erreicht sie aber nicht die Güte und Qualität der veraci.

Wird die Kühlkette eingehalten gilt die alte Regel für Muscheln mit einem Monat mit r am Ende nicht mehr. Durch die regelmäßigen strengen Kontrollen besteht eigentlich auch keine Gefahr, das Toxine der Blaualgen durch die Muscheln aufgenommen worden sein könnte. Zudem werden viele Muscheln aus der Zucht zum teilweise „Entsanden“ in reinen Salzwasserbasins gehalten.

Nebenbei noch etwas zu Salz: Wenn man Wasser zum Kochen bringt, erhöht sich bei der Zugabe von Salz die Kochtemperatur. Dies verringert automatisch die Garzeit und die Nahrung kann schneller zubereitet werden. Ebenso lässt sich Blattspinat in leicht gesalzenem Wasser schneller säubern, wodurch sich häufiges Waschen vermeiden lässt und damit weniger Vitamine und Nährstoffe ausgespült werden. Dies gilt leider nicht für das Putzen von Blattsalaten.






Spaghetti alle vongole veraci in bianco - Arselle alla Marinara - Bibarasse in Cassopipa
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Es gibt zwei Varianten dieses Klassikers, einmal als „bianco“ und außerdem als „rosso“, aber auch bei den vongole veraci in rosso sollten die Venusmuscheln nicht mit Tomaten zugedeckt werden, sondern lediglich einige wenige gehackte Datterini-Tomaten dem Weißwein-Muschelsud zugefügt werden.

Für Bibarasse in Cassopipa werden die Muscheln in einem Weißweinsud mit weißen Zwiebeln und früher auch noch mit Weißmehlpolenta gekocht.



Zutaten:

1 kg frische Vongole Veraci
Sel Gris de Guerande (3 EL je Liter Wasser), mit Wasser vermischt, zum Entsanden
360 g Bavette oder Spaghetti
Wasser
3 Knoblauchzehen, entkeimt, fein gehackt oder in dünnen Scheiben
1 Peperoncini croccante, zerbröselt
2 Gläser Weißwein, trocken
½ Bund Blattpetersilie, fein gehackt, Stängel aufheben
1 TL Sardellenpaste, nach Gusto
Schwarzer Pfeffer aus der Mühle
Meersalz, eigentlich nur wenn man Tomaten verwendet
Olivenöl, extra vergine



Zubereitung:

Muscheln sorgfältig unter fließendem Wasser reinigen, geöffnete Muscheln und Muscheln mit angebrochener Schale entfernen. Die Muscheln für mindestens eine Stunde in kaltes Salzwasser legen (s.o.). In diesem künstlichen Meerwasser öffnen sie sich und geben den eingeschlossenen Sand frei, herausnehmen und anschließend noch einmal gut abspülen. Jetzt sind die Vongole genussfertig und sollten später kaum noch knirschen. Die Muscheln in einem Sieb gut abtropfen lassen.

Die Nudeln in reichlich kochendes Salzwasser geben und nach Packungsangabe minus 2 Minuten gut al dente kochen.

Sobald die Nudeln im Kochwasser sind, das Olivenöl in einer großen Pfanne erhitzen. Darin Knoblauch und Peperoncini kurz andünsten, den Weißwein zugießen und sobald dieser kocht, die Muscheln und die Stängel der Blattpetersilie zugeben und nur solange mit aufgelegtem Deckel kochen, bis alle Muscheln geöffnet sind (etwa 5 Minuten), dabei ab und zu mit der Pfanne rütteln. Nach Gusto statt Meersalz einen Teelöffel Sardellenpaste unterrühren (verstärkt das Aroma). Dabei sanft umrühren, damit die Muscheln in der Schale bleiben.

WICHTIG: Geschlossene und auch nur ganz leicht geöffnete Muscheln aussortieren.

Die noch bissfesten Nudeln kurz in einem Sieb abtropfen lassen, behutsam mit den Muscheln vermischen und noch etwa für 1 bis 2 Minuten weiter köcheln lassen. Mit Pfeffer würzen, reichlich fein gehackte Blattpetersilie darüber verteilen und noch etwas Olivenöl darüber träufeln. Salzen sollte nicht mehr notwendig sein.

Sofort mit Zitrone und Pane rustico servieren.












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