Bestellt
man sich das Pastagericht Spaghetti alle vongole ist es in den meisten Restaurants
üblich, alle Arten von Venusmuscheln als Vongole zu bezeichnen. In Italien allerdings
bedeutet der Handelsname Vongola verace, (etwa die wahre bzw. die beste
Venusmuschel), das es sich um die Kreuzmuster-Teppichmuschel handelt, auch um
sie von den anderen vongole zu unterscheiden. Oft werden einem sogar, wenn die
Muscheln ohne Schale serviert werden, auch Herzmuscheln (ital. capa tonda) zusammen
mit den Spaghetti als „vongole“ vorgesetzt.
Die
im venezianischen Dialekt Bibarasse (Venus Gallina) genannten Lupini (Getupften-
oder Kreuzmuster-Teppichmuscheln) gehören zu der Familie der Venusmuscheln und
sind eine Unterart (Tapes). Bis in die fünfziger Jahre des letzten Jahrhunderts
galt die Bibarasse als Nahrung der Armen, weil sie mit bloßen Händen von Jedermann aus dem
Schlick geholt werden konnten. Heute kann man sagen, dass fast alle im Handel
erhältlichen Venusmuscheln aus der Lagune südlich von Venedig oder dem Po-Delta
stammen. Zu den besten Venusmuscheln gehört die europäische Sorte der Getupften-
bzw. Kreuzmuster Teppichmuschel (Ruditapes decussatus) auch Arselle oder Veraci
genannt, vor allem hinter der Insel Pellestrina in der Lagune von Venedig. Die Meeresverschmutzung
Anfang der 80er Jahre des letzten Jahrhunderts führe dort fast zum vollständigen
Zusammenbruch ihrer Bestände in der Lagune. Sie sind schwach längs gerippt und
deutlich quer gestreift, ihre Farbe in der Regel braungelb. Je nach
Nahrungsangebot, Teppichmuscheln ernähren sich von organischen Substanzen und
Plankton, die sie durch zwei Saugrohre die Siphone aus dem Meerwasser filtern, erreichen
die Teppichmuscheln nach zwei bis drei Jahren eine Größe von 40 mm. Die Veraci
kommen lose oder in Netz und besondere Qualität auch einmal im Holzkörbchen und
enthalten oft noch sehr viel Sand. Um diesen zu entfernen die Muscheln zu
entsanden, bedient man sich eines Tricks und täuscht die Muscheln noch einmal,
bevor sie im Topf landen. Dazu muss ich vorher ein wenig ausholen:
Der
mittlere Salzgehalt (Salinität) von Meerwasser beträgt 3,47 Prozent Salz je
Liter Meerwasser, das entspricht ungefähr 3 Esslöffel Meersalz oder 33,3 g je
Liter. Innerhalb der Weltmeere schwankt jedoch der Salzgehalt des Wassers, nur im
Südatlantik und -pazifik entspricht der Salzgehalt dem Durchschnittswert. Entsprechend
ist der Salzgehalt des Meerwassers in Mündungsbereich eines Flusses oder in einer
Lagune geringer als der Salzgehalt von Meerwasser auf offener See. Das
Mittelmeer ist wegen seines geringen Wasseraustauschs mit anderen Ozeanen mit
3,74 Prozent relativ salzig. Die Salinität des Brackwassers in der Lagune von Venedig
schwank dagegen zwischen 0,5 und 3,3 Prozent; Lido Ø 3,24; Chioggia Ø 3,44;
Südliche Lagune Ø 3,34. Brackwasser ist eine Mischung aus süßem Flusswasser und
salzigem Meerwasser. Die an solch einem Ort lebenden Organismen müssen
besonders anpassungsfähig sein, um bei diesen extremen Bedingungen überleben zu
können. Durch den Gezeitenwechsel verändert sich der Salzgehalt des Wassers
ständig, mit steigender Flut wird jeweils das Süßwasser der zuführenden Flüsse
mit dem einströmenden Meerwasser vermischt.
Zum
Anmischen von künstlichem Meerwasser am besten co2 versetztes Wasser oder sprudeliges
Mineralwasser benutzen und nach der Zugabe des Salzes und ab dem Zeitpunkt an
dem sich dieses vollständig aufgelöst hat, noch etwa 15 Minuten warten. Dann
erst die Muscheln zum Entsanden in die Schüssel hinein geben. Nach etwa 90
Minuten das Wasser mit dem Sand entfernen und den Vorgang wiederholen bis sich
kein Sand mehr am Boden der Schüssel absetzt.
Die
im venezianischen Dialekt Caparossolant genannten Muschelmänner aus Chioggia, sorgen
für eine gewisse Missstimmung zwischen Chioggia und Venedig. Um 1983 wurde von
Züchtern aus Chioggia zusammen mit den Italienischen Behörden die als Japanische
Teppichmuschel bzw. Manila Teppichmuschel (Ruditapes philippinarum) bezeichnete
Art, die nunmehr als das „dunkle Gold der Lagune“ bezeichnet wird, angesiedelt.
Sie gilt als invasive Spezies, die einheimische Venusmuschel Arten verdrängt.
Sie gedeiht besonders in den von Industrieabwässern erwärmten Gewässern um
Chioggia. Die Farbe der Muschel variiert von grauweiß über gelb bis gelblichen
braun, die Schale des Tiers zeigte markante schwarze und weiße gescheckte
Muster. Die Japanische Teppichmuschel erreicht nach zwei Jahren eine Größe von
60 mm und wiegt etwa 12 Gramm. Das weißgelbe Fleisch schmeckt nussig, erdig.
Bei Sushi-Köchen beliebt, erreicht sie aber nicht die Güte und Qualität der
veraci.
Wird
die Kühlkette eingehalten gilt die alte Regel für Muscheln mit einem Monat mit
r am Ende nicht mehr. Durch die regelmäßigen strengen Kontrollen besteht
eigentlich auch keine Gefahr, das Toxine der Blaualgen durch die Muscheln
aufgenommen worden sein könnte. Zudem werden viele Muscheln aus der Zucht zum
teilweise „Entsanden“ in reinen Salzwasserbasins gehalten.
Nebenbei
noch etwas zu Salz: Wenn man Wasser zum Kochen bringt, erhöht sich bei der Zugabe
von Salz die Kochtemperatur. Dies verringert automatisch die Garzeit und die
Nahrung kann schneller zubereitet werden. Ebenso lässt sich Blattspinat in
leicht gesalzenem Wasser schneller säubern, wodurch sich häufiges Waschen vermeiden
lässt und damit weniger Vitamine und Nährstoffe ausgespült werden. Dies gilt
leider nicht für das Putzen von Blattsalaten.
Spaghetti alle vongole veraci
in bianco - Arselle alla Marinara - Bibarasse in Cassopipa
20180809toko
Es
gibt zwei Varianten dieses Klassikers, einmal als „bianco“ und außerdem als „rosso“,
aber auch bei den vongole veraci in rosso sollten die Venusmuscheln nicht mit
Tomaten zugedeckt werden, sondern lediglich einige wenige gehackte Datterini-Tomaten
dem Weißwein-Muschelsud zugefügt werden.
Für
Bibarasse in Cassopipa werden die Muscheln in einem Weißweinsud mit weißen Zwiebeln
und früher auch noch mit Weißmehlpolenta gekocht.
Zutaten:
1
kg frische Vongole Veraci
Sel
Gris de Guerande (3 EL je Liter Wasser), mit Wasser vermischt, zum Entsanden
360
g Bavette oder Spaghetti
Wasser
3
Knoblauchzehen, entkeimt, fein gehackt oder in dünnen Scheiben
1
Peperoncini croccante, zerbröselt
2
Gläser Weißwein, trocken
½
Bund Blattpetersilie, fein gehackt, Stängel aufheben
1
TL Sardellenpaste, nach Gusto
Schwarzer
Pfeffer aus der Mühle
Meersalz,
eigentlich nur wenn man Tomaten verwendet
Olivenöl,
extra vergine
Zubereitung:
Muscheln
sorgfältig unter fließendem Wasser reinigen, geöffnete Muscheln und Muscheln
mit angebrochener Schale entfernen. Die Muscheln für mindestens eine Stunde in
kaltes Salzwasser legen (s.o.). In diesem künstlichen Meerwasser öffnen sie
sich und geben den eingeschlossenen Sand frei, herausnehmen und anschließend
noch einmal gut abspülen. Jetzt sind die Vongole genussfertig und sollten später
kaum noch knirschen. Die Muscheln in einem Sieb gut abtropfen lassen.
Die
Nudeln in reichlich kochendes Salzwasser geben und nach Packungsangabe minus 2
Minuten gut al dente kochen.
Sobald
die Nudeln im Kochwasser sind, das Olivenöl in einer großen Pfanne erhitzen. Darin
Knoblauch und Peperoncini kurz andünsten, den Weißwein zugießen und sobald
dieser kocht, die Muscheln und die Stängel der Blattpetersilie zugeben und nur
solange mit aufgelegtem Deckel kochen, bis alle Muscheln geöffnet sind (etwa 5
Minuten), dabei ab und zu mit der Pfanne rütteln. Nach Gusto statt Meersalz einen
Teelöffel Sardellenpaste unterrühren (verstärkt das Aroma). Dabei sanft umrühren,
damit die Muscheln in der Schale bleiben.
WICHTIG:
Geschlossene und auch nur ganz leicht geöffnete Muscheln aussortieren.
Die
noch bissfesten Nudeln kurz in einem Sieb abtropfen lassen, behutsam mit den
Muscheln vermischen und noch etwa für 1 bis 2 Minuten weiter köcheln lassen.
Mit Pfeffer würzen, reichlich fein gehackte Blattpetersilie darüber verteilen
und noch etwas Olivenöl darüber träufeln. Salzen sollte nicht mehr notwendig
sein.
Sofort
mit Zitrone und Pane rustico servieren.
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